Extrawurst und Insellösung im Vertrieb
von Alexander Meneikis
Wie Ansätze zum Zeitsparen langfristig mehr Zeit kosten können
Wer eine Weile im Vertriebscontrolling unterwegs war, hat es schon ein paar Mal gesehen: Umfangreiche, selbst entwickelte Tools, vor allem in Excel und Access, erfüllen umfangreiche Aufgaben, mehr oder weniger sinnvoll und tauglich. Da wird MAL EBEN eine Vertriebsdatenbank in Access gebaut und MAL EBEN eine gigantische Excel-Mappe zur Berechnung von Provisionen bei komplexen Vertragsmodellen.
Gerade der Vertrieb liebt das Anfertigen eigener Tools, um seine variablen Vergütungen im Auge zu behalten. Manchmal ist die firmeneigene Lösung dem Vertrieb zu langsam, manchmal traut er ihr auch nicht. Generell sieht der Vertrieb seine Bedürfnisse häufig zu wenig reflektiert in den Unternehmensprozessen und in der Software.
So ein Tool kann sich dann schnell immer weiter entwickeln, bis es Business Critical ist.
So manche Access-Anwendung begann ihr Leben zum „MAL EBEN Monatsprovisionen überschlagen“, ging dann weiter zum MAL EBEN Bestandsprovisionen ausrechnen und wurde schließlich zum internen Standardwerkzeug, um Aufwandsrückstellungen für Provisionen zu berechnen.
Dann wird daraus ein Erfassungswerkzeug für den Auftragseingang. Und jetzt hätten wir gerne noch eine Anbindung an Outlook für die Termine!
Auch bei großen, renommierten Unternehmen stößt man auf recht abenteuerliche Konstrukte. Ein recht großer Dienstleister rechnete im Jahr 2006 Zigtausende von Kundenabos über eine Anwendung in Access 97, die sich nicht aktualisieren ließ.
Dokumentation ist was für Weicheier!
Dokumentation ist was für Leute, die zu faul sind, sich in 6 Wochen Kleinarbeit die Funktionsweise des Tools zu erschließen. Nein, man schreibt 50 Seiten VBA, einen Haufen komplex verschachtelter Abfragen und verlässt dann schnell und heimlich das Unternehmen.
Wenig Abstimmung auf die restliche IT-Landschaft
Schnittstellen passen nicht, der Datentransfer geht nur manuell oder gar nicht (weil zu umfangreich).
Eigentlich wollte der Vertrieb von Anfang an die Hilfe der IT, zumindest ab der dritten Weiterentwicklung. Die IT hat aber keine Ressourcen zur Verfügung gestellt. Jetzt, wo es nicht mehr anders geht, wo die IT ran muss, beklagt sie sich über die unprofessionelle Programmierung. Manchmal darf dann ein Externer ran (so wie ich in ein paar Fällen), das Tool analysieren und dokumentieren, ggf. bei der Weiterentwicklung unterstützen – diesmal MIT Doku.
Solcherlei Phänomene treten vor allem in mittleren Unternehmensgrößen auf, bei ca. 100-500 Mitarbeitern. Seltener bei größeren Unternehmen mit integrierten ERP-Systemen, hier aber auch, und zwar in Nischen, die im Gesamtgeschehen wenig Beachtung finden.
Dem Management ist dieser Wildwuchs häufig gar nicht bewusst
.
Vor allem ist ihm selten bewusst, welchen Aufwand es kostet, die Tools zu pflegen und die Kompatibilität, wenn überhaupt möglich, aufrecht zu erhalten. Einige Anwendungen sorgen auch für erhebliche Zeitverzögerungen.
Wilde, fehleranfällige Tools haben allerdings auch Vorteile gegenüber der etablierten Software
Immer wenn etwas hakt, ist der User gezwungen, sich Gedanken über den Prozess zu machen, der abgebildet werden soll (vorausgesetzt, der User macht sich Gedanken). Erst durch ausführliches Durchdringen des Prozesses kommt der Benutzer zum Verständnis, und dadurch wiederum manchmal auf produktive Fragen.
Bei Standard-Software wird manchmal zu schnell davon ausgegangen, dass die Darstellungen richtig und sinnvoll sind. Natürlich können auch die Auswertungen der Eigenproduktion falsch sein.
Letztlich kommt es auch darauf an, was aus den Rechenergebnissen interpretiert und abgeleitet wird und welche Handlungen als Folge angestoßen werden.
Fazit:
Wenn schon Eigenproduktion,dann bitte dokumentiert. Und abgestimmt auf die restliche IT-Landschaft. Und immer mit Überlegung: Wozu das Ganze?
Foto: Alexander Meneikis, Mai 2012 in Hamburg-Meiendorf
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Kirchhoff meint
Ich stelle mir oft auch die Frage, warum viele Vertriebscontroller Modernste Handys nutzen um bspw. mobil online ihre Heizung zu Hause zu steuern oder in Facebook, YouTube oder eBay zu surfen oder sie in ihrem Privatbereich Modernste Fernseher oder Heimkinoanlagen nutzen –
für ihre Vertriebscontrolling Arbeit nutzen sie jedoch seit Jahren immer nur Excel. Was für ein Widerspruch!
Leider sind viele Führungskräfte aus Vertrieb, Management und Controlling – wie in den vergangenen Jahren – noch immer gefangen: In ihren selbstgestrickten – seit Jahren angewendeten Tabellen und Datenbank Lösungen?
Andreas Kirchhoff
admin meint
Hallo Herr Kirchhoff, die Nutzung der Tools ist in den Unternehmen sehr unterschiedlich. In der Tat findet man manchmal abenteuerliche Lösungen in Excel und Access, teilweise aber auch sehr schlau programmierte Anwendungen. Entscheidend sind ja auch nicht die Programme, sondern die Qualität unternehmerischer Fragen, die dahinter steht.
Lutz Palmgren meint
Vieles ist heute technisch möglich, Ziel wird immer sein, einen messbaren Nutzen erreichen.
Was braucht der Vertriebsmitarbeiter konkret, die rote Ampel ständig vor Augen oder einen Hinweis, wo er ansetzen kann?
Die Frage ist, was er dem Kunden konkret anbietet, was wissen wir über den Kunden, was hat er bereits, welche Zulieferer gibt es, was bietet er also konkret an?
Wann können wir was zu welchen Konditionen liefern, wie ist unsere Personalauslastung?
Wenn der Kunde jetzt oder später bestellt, wie bekommen wir es technisch und personell auf die Reihe?
Können wir überhaupt einen Nachlass anbieten?
Ich war gestern bei einem Kunden, man bot ihm Alurohre Kilopreis 3,90 Euro an, er sagte, dass er ein Angebot von 3,60 hätte, also ging der Verkäufer auf 3,54, der Kunde hatte überhaupt kein Gegenangebot vorliegen und ärgerte sich, dass er nicht 3,20 als Gegenangebot nannte.
Was nützt jetzt die beste selbst gestrickte Excel-Liste, wenn man nicht weiß, wie die tatsächlichen Marktpreise sind (diese gibt es, kann man automatisch dazupflegen) und dann braucht es die Übersicht, welche Mengen der Kunden bisher abnahm, wie er zahlte, welchen Bedarf er in Zukunft haben wird, …
Das ist kein 5-Minuten-Gespräch wie beim Bäcker “Ja, nehm ich!”, es geht um Kundenbeziehungen, dazu gehört Wissen. Der Kunde informiert sich ja genauso über seine Lieferanten und der Lieferant?
Vertriebscockpits können auch anders aussehen, gern auch mal bei uns melden!
Viele Grüße Ihnen!
admin meint
Hallo Herr Palmgren, mit diesen Ausführungen haben Sie absolut recht. Controlling ist halt nicht Excel, sondern die Kunst, relevante Fragen zu stellen und mit den Antworten produktiv umzugehen. Manchmal können Excel-Listen dabei helfen, oft aber nicht. Und Excel-Tools, die nicht ins Unternehmen integriert sind, können manchmal zusätzlich sogar Schaden anrichten.
Strätz meint
Wenn schnelle Analyse gefordert ist, aber von der IT nicht geliefert wird, ergreift der Mitarbeiter die Initiative und wählt Excel…
Definierbare Schnittstellen für Reports und Auswertungen erlauben den Anwendern flexibel Ihre Informationen zusammenzustellen. Bewährte Excel-Listen lassen sich schnell auch schnell über Definitionen integrieren.
Diese Anforderung muss ein modernes Vertriebssystem erfüllen und wird bereits als Standardprodukt mit “definierbaren Schnittstellen” angeboten. Zugriffsrechte, Revisionssicherheit und Flexibilität sind durchaus erreichbar.